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Betrachtet

Das "Problem" mit den Kommentaren

Montag, 02. Oktober 2017, 14:00 Uhr
Medien haben es in diesen komplexen Zeiten sehr schwer. Denn derjenige, der eigentlich nur die Erzeugnisse dieser Branche konsumieren soll, rückt den Medienmachern zunehmend auf die "Pelle". Dem Netz sei dank...


Der Kunde der Medien, auch Rezipient genannt, muss seit einigen Jahren die "Ware Meinung" nicht mehr einfach so runterschlucken, sondern er kann sich ausführlichst an ihr erfreuen und ärgern. Er kann nicht nur im Gespräch mit dem Nachbarn oder den Kollegen auf Arbeit seinen Standpunkt dazu vertreten, sondern er kann das dem "Produzenten" der Nachrichten konkret mitteilen.

Und die müssen es, auch weil der Druck sich intensiviert hat und es zusätzliche Klicks bringt, auch noch freischalten. Ein herrlicher Zustand der Meinungsfreiheit also. Der Rezipient kann sich einmischen, kann kommentieren, was bislang nur den Auserwählten vorbehalten war, kann teilhaben an dem, was vielleicht vor grauer Urzeit als demokratischer Meinungsbildungsprozess beschrieben wurde.

Nun, die Realität sieht anders aus. Nehmen wir das Portal "Spiegel Online", kurz SPON genannt. Auch hier gibt es seit vielen Jahren die Funktion des Kommentierens. Sie wurde in den Anfangszeiten tatsächlich sehr offen zugelassen. Doch seit es zum Beispiel die Flüchtlingskrise gibt, wandelte sich das Agieren der Redakteure. Auf dem 33. Kongress des Chaos Computerclubs in Hamburg Ende vergangenen Jahres hielt ein Mann einen Vortrag, der den Einsatz der Kommentarfunktion bei SPON aus fachlicher Sicht, aus Sicht der Datenaufarbeitung untersuchte. Hier ein kurzer Zusammenschnitt des Vortrags von Davis Kriesel:


David Kriesel bei seinem Vortrag

Das Verhalten der SPON-Redaktion, Kommentare nicht zuzulassen, kann nicht verallgemeinert werden. Zum Beispiel werden auf Zeit.de nahezu alle Artikel kommentiert. Bei SPON war das schon im Jahr 2013 anders, bereits damals wurden veröffentlichte Kommentare einfach wieder abgeschaltet. Ich würde das nicht so drastisch formulieren, hätte es die nnz nicht selbst betroffen. SPON berichtete über eine angeblich sexistische Werbung unsere Online Zeitung, ließ auch Kommentare zu, die für die nnz-Macher höchst unerfreulich waren. Doch das muss man aushalten. Dann, als die Kommentare im Verlaufe dieses Vormittages ein wenig "umschlugen" und Partei für den "kleinen Blog" irgendwo in Thüringen ergriffen wurde, da schaltete die SPON-Redaktion die Kommentar-Funktion einfach mal so ab. Toll, denn selbst die bislang freigegebenen Kommentare waren weg. In Hamburg nachgefragt, bekam der kleine Blog sogar eine Antwort. Eine - wie wir meinen - vielsagende Antwort.

Und so schließt sich nun scheinbar der Kreis zum Jahr 2017. Wir halten an unserem Umgang mit Kommentaren fest. Jeder kann alles schreiben - fast alles. Das Ausschlusskriterium ist nicht das Nicht-Aushalten anderer Meinungen, sondern der Verstoß gegen Grundwerte unserer Gesellschaft. Wir müssen tagtäglich entscheiden, was wir zulassen und was nicht. Nicht immer passt das jedem, doch Toleranz endet dort, wo andere Meinungen nicht mehr toleriert werden. Auch, wenn es schwer ist, diese auszuhalten. Zum Beispiel, wenn Menschen fordern, dass unser Land offen und grenzenlos sein soll, dass wir nahezu alle Menschen in Not aufnehmen müssen. Zum Beispiel aber auch, wenn Menschen die Schließung der Grenzen fordern und einen Kontrollverlust des Staates konstatieren. Kontrollverlust - übrigens ein Wort, für den Journalisten noch vor zwei Jahren knapp an einer Abmahnung vorbeigeschrammt sind, das heute in nahezu allen Talkshows Einzug gehalten hat. Das aber nur als Nebenbemerkung.

Wer sich jetzt oder am morgigen Feiertag vielleicht mal die Zeit nimmt, den gesamten Vortrag des David Kriesel auf 33C3 rezipieren möchte - hier können wir ihn anbieten.
Peter-Stefan Greiner

Autor: red

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